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»Unter Wasser« - Die Chronik der versunkenen Dörfer Brauersdorf, Nauholz und Obernau von Dr. Peter Vitt

Am 22.08.2024 wurde in Netphen das lang erwartete Buch „Unter Wasser“ des renommierten Historikers Dr. Peter Vitt der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses Werk, das in Zusammenarbeit mit der Stadt Netphen und der Sparkasse Siegen entstand, widmet sich auf 270 Seiten der bewegten Geschichte der drei Dörfer Brauersdorf, Nauholz und Obernau, die einst in der Idylle des Netpherlandes lagen und heute unter den Wassern der Obernautalsperre verschwunden sind.

Bei der Buchvorstellung waren auch einige Bürgerinnen und Bürger dabei, die damals in den besagten Dörfern lebten. Sie schwelgten gemeinsam in Erinnerungen und stellten fest, dass nicht jeder der Bewohner damals mit den Veränderungen einverstanden war. Im Buch kommt zwar nichts über den Bau der Obernautalsperre vor, jedoch vieles über die damalige Planung. Die Informationen stammen aus den handschriftlichen Aufzeichnungen der damaligen Lehrer, die noch im Archiv der Stadt Netphen aufbewahrt werden. Sehr schön wird in dem Buch auch beschrieben, wie die Menschen in den Dörfern vor über 100 Jahren zusammenlebten.

So liegt hiermit ein Buch vor, dass weder Fürsten noch Könige im Mittelpunkt hat, sondern es schildert den Alltag der Bewohner von drei Dörfern des Netpherlandes mit ihren Sorgen und Nöten, aber auch mit erfreulichen Lichtblicken.

Es konnte beispielsweise recherchiert werden, dass der Name „Brauersdorf“ vom Brauen stammt und dass es bis zum Jahr 1680 in dem Dorf Brauersdorf eine Brauerei gab.

Das Buch ist zu einem Preis von 20€ erhältlich in Netphener Buchhandlungen sowie der Buchhandlung Hugendubel in der City-Galerie Siegen. Die Auflage beträgt 600 Bücher. 

Buchvorstellung "Unter Wasser" © L. Reuter
Buchvorstellung "Unter Wasser" © L. Reuter


Zum Inhalt:

Die drei Ortschaften Brauersdorf, Obernau und Nauholz, zum Teil unter dem Damm oder ganz im Wasser der Obernautalsperre versunken, waren die letzten Jahrhunderte agrarisch geprägt. Selbst der Bau der Kleinbahn, der die Industrialisierung der Dörfer an der Bahn förderte, änderte daran relativ wenig, der Abstand zur Bahnstrecke war zu groß. Mittelpunkt in den Dörfern waren die Kapelle und die Schulen. Die Lehrer waren vom Staat verpflichtet, eine Schul- und Dorfchronik zu schreiben.

Unter Wasser © L. Reuter
Unter Wasser © L. Reuter

Bei Recherchen im Archiv der Stadt Netphen stieß Dr. Vitt auf drei dicke Folianten, es waren Schulchroniken, und zwar der kath. Schule Brauersdorf-Nauholz, der kath. Schule Brauersdorf und der ev. Schule Brauersdorf-Obernau. Diese Archivalien hat er transkribiert und sie bilden den ersten und umfangreichsten Teil des vorgestellten Buches. Hierin wird nicht nur der Schulbetrieb und die gesamte Lehrerschaft wieder lebendig, auch die Namen der Jungen und Mädchen, welche ein- und ausgeschult wurden sind erfasst. Darüber hinaus haben die Lehrer die Dorfgeschichte mit Wetterdaten, großen und kleinen Unglücken, und die harten Lebensbedingungen der Landleute beschrieben. Auch die beschwerlichen Zeiten des I. und II. Weltkrieges werden ausführlich dargestellt, mit den Namen der eingezogenen Soldaten und der Gefallenen, ebenso wie die kleinen Freuden, wenn  z. B. Kaisers Geburtstag gefeiert wurde. So entstand ein ausführliches Bild über die drei Dörfer und deren Bewohner über mehr als ein Jahrhundert, wobei die Zeit  vor der von den Lehrern geschriebenen Schulchronik ebenfalls gestreift wurde.

Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, wie unproblematisch das Zusammenleben der katholischen und evangelischen Christen in den Dörfern war, was mehrfach von den Lehrern hervorgehoben wurde, und was sich auch im Schulleben widerspiegelte: War der kath. Lehrer krank, vertrat ihn der ev. Lehrer; musste der ev. Lehrer zu einer mehrwöchigen Militärübung, war es umgekehrt; oftmals wurden die Kinder auch gemeinsam unterrichtet. So kann man bereits für die Zeit des 19. Jahrhunderts in dem Mikrokosmos von Brauersdorf, Obernau und Nauholz von einer gelebten Ökumene sprechen, als es in den meisten Köpfen der Zeit diesen Ausdruck gar nicht gab und im Reich der Kulturkampf tobte.

Im zweiten Teil des Buches sind auf mehr als 60 Seiten alle Karten des Urkatasters aus den 1830er Jahren abgebildet. Hierdurch sollen einmal die vielen Flurbezeichnungen, die in der Chronik erwähnt werden, zu lokalisieren sein, zum anderen sollen die Flurnamen und -lagen für spätere Generationen festgehalten werden. Auf allen Karten sind übrigens die Grundstücksbesitzer festgehalten, was insbesondere für die Dorflagen und Hausnamen von Interesse ist.

Im dritten und letzten Teil des Buches geht Peter Vitt auf die ältere Geschichte der Ortschaften mit der ersten urkundlichen Erwähnung ein und streift die Köhlerei, die Separation, Auswanderungen und die Jugendbewegung sowie das Brauersdorfer Wirtshaus und die Mühle. Statistische Angaben zur Einwohnerentwicklung bilden den Abschluss.

Insbesondere ist hierbei auch an die sogenannten „Wasserflüchtlinge“ gedacht, deren Heimat unwiderruflich verloren gegangen ist. Sie finden in diesem Buch die Geschichte ihrer Dörfer wieder und werden sicher auf den Karten die alten und den vielen Fotos die neueren Häuser erkennen und damit manche Erinnerung wecken.

23.08.2024