Erste Hilfe für die Seele - Im Gespräch mit einem Notfallseelsorger
Notfallseelsorger Stefan Kebschull aus Deuz erzählt, wie man an die „geile“ Jacke kommt, was das Ehrenamt ausmacht und warum Kaffeekochen manchmal genau das Richtige ist.
Ein plötzliches Ereignis, das alles verändert - ein Herzstillstand etwa, ein Verkehrsunfall oder ein Suizid. Ehepartner, Verwandte, Freunde bleiben zurück. Zuerst stehen sie unter Schock. Mit solchen emotionalen Szenen hat Stefan Kebschull bei seiner Arbeit regelmäßig zu tun. Denn er ist Notfallseelsorger.
Herr Kebschull, wann ist für Sie der Moment gekommen, Notfallseelsorger zu werden?
Vor 5 Jahren durch einen dummen Zufall. Ich habe im Internet irgendetwas recherchiert und bin dabei über eine Anzeige der Notfallseelsorge Siegerland gestolpert. Die Anzeige hat mich an einen Abend vor gut 20 Jahren erinnert, an dem Pfarrer Klaus Seidenstücker im Männerkreis in Deuz einen Vortrag über das Ehrenamt Notfallseelsorge gehalten hat. In meinem Beruf bin ich quasi der Psychiater für meine Kunden, stehe ihnen im Baustress zur Seite. Ich wollte den Menschen in der Not helfen, egal welche politische Position oder Konfession sie haben. Im Januar 2018 habe ich dann kurzerhand die Ausbildung begonnen.
Für die Notfallseelsorge gibt es eine richtige Ausbildung. Wie läuft die ab?
Ich bin damals für ein dreiviertel Jahr alle zwei Wochen freitags zur Ausbildung gefahren. Dort habe ich neben der Theorie auch Übungsszenarien durchlaufen. Daraufhin folgten auch begleitete Einsätze und ich durfte ein Praktikum bei der Polizei oder wahlweise beim Rettungsdienst in Netphen machen. Nach begleiteten Einsätzen bin ich dann am 02. September 2019 offiziell als Seelsorger in der Deuzer Kirche eingeführt worden.
Wie groß ist momentan euer Team? Und wie viel Zeit muss ich denn dafür investieren?
Wir haben derzeit 18 Notfallseelsorger, bilden aber weiter aus. Ohne ein gut abgestimmtes, harmonisches Team können wir nicht funktionieren. Pro Tag sind zwei Mitglieder für den Bereitschaftsdienst eingesetzt, doch auch bei den anderen läuft die Handy-App Divera immer im Hintergrund. Wenn ich gerade zufällig in der Nähe des Einsatzortes bin, übernehme ich diesen dann, wenn möglich. Deshalb fährt auch die Jacke immer mit.
Wie funktioniert die Alarmierung?
Die Alarmierung der Notfallseelsorge erfolgt auf Anforderung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. In der Notfallseelsorge arbeiten wir mit einer doppelten Alarmierung, also durch einen Melder und zusätzlich über das Handy, an dem wir dann eine Übersicht über den Einsatz erhalten.
Gab es Fälle, die Sie an Ihre Grenzen gebracht haben?
Ich würde sagen, ja. Gerade Situationen, wie der plötzliche Kindstod lassen mich nicht los. Da sind die Einsatznachbesprechungen sehr wichtig. Auch wir brauchen schonmal eine starke Hand.
Wie gehen Sie bei einem Einsatz vor?
Jede Situation ist anders, ich gehe auf den Impuls des Gegenübers ein. Es ist die Kunst, die Balance zwischen Empathie und Distanz zu finden. Manchmal hilft es den Betroffenen, wenn man einfach nur zuhört, ihnen einen Kaffee kocht. Manchmal muss man die Situation und das Chaos auch einfach aushalten. Wichtig ist, dass jemand da ist, bis Familienangehörige eingetroffen sind.
Was würden Sie Menschen sagen, die anfangen, sich für die Arbeit der Notfallseelsorge zu interessieren?
Einfach bewerben und das Risiko eingehen, den Kurs zu machen! Dort erfährt man, ob man die Arbeit mental verträgt. Wenn ja, bekommst du eine geile Jacke und wirst Teil eines tollen Teams und wenn nicht, hast du in der Ausbildung etwas fürs Leben gelernt.
Wir freuen uns auch immer, wenn jemand auf uns zugeht und über die Notfallseelsorge spricht. Ich habe das Gefühl, das Ehrenamt steht im Schatten von anderen und wird auch in den Medien nicht genug gewürdigt.
Über Stefan Kebschull
Stefan Kebschull ist 58 Jahre alt in Netphen-Deuz geboren und aufgewachsen, wo er sein eigenes Planungsbüro leitet. Er war lange Zeit im Rat und Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Netphen und ist in der ev. Kirchengemeinde Deuz aktiv.