Nachruf zur Würdigung der Lebensleistung des am 23.12.2021 verstorbenen Ewald Hatzig aus Netphen
Im Netpherland setzte der engagierte Ehrenamtler Ewald Hatzig zeitlebens viele Akzente.
Im Alter von 93 Jahren ist am 23. Dezember 2021 plötzlich und unerwartet Ewald Hatzig aus Netphen verstorben. Am 2. September 2018 konnte er noch gemeinsam mit seiner bereits im darauffolgenden Jahr verstorbenen Ehefrau Lieselore „Lore“, ihren fünf Kindern, zehn Enkeln und sechs Urenkeln seinen 90. Geburtstag feiern und die Glückwünsche einer breiten Öffentlichkeit entgegennehmen. Er gehört ohne Zweifel zu den Persönlichkeiten, die sich durch ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement in mehreren Bereichen in besonderer Weise um das Netpherland verdient gemacht haben. Hierfür wurden ihm zeitlebens mehrere hochkarätige Ehrungen zuteil. So verlieh ihm am 12. November 2004 im Siegener Kreishaus der stellvertretende Landrat Jürgen Althaus das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Am 21. Februar 1951 beendete der „waschechte Netpher Jong“ sein Studium an der Wiesenbauschule in Siegen, Fachrichtung Wasserwirtschaft, Kultur- und Tiefbau, mit der Abschlussprüfung. In seiner ersten Anstellung wirkte der damals 25-Jährige als Bauleiter an der Errichtung der Breitenbachtalsperre mit. 1961 wechselte der Bauingenieur in die Verwaltung des Amtes Netphen und leitete bis 1990 das Tiefbauamt der Gemeinde Netphen. Hier schätzte ihn Ulf Stötzel, der spätere Gemeindedirektor in Netphen und Bürgermeister der Stadt Siegen, als vorbildlich fleißigen, zuverlässigen und gut organisierten Kollegen, der in verantwortlicher Position viel zur Gestaltung der Infrastruktur in der Kommune beigetragen hat. Gerne erinnert er sich noch an den Kommentar des Netpher Originals Ewald Hatzig, als eine Tiefbaumaßnahme einmal den ursprünglich vorgesehenen Kostenrahmen sprengte: „Vor dr Hacke isset donkel“. Als Teerarbeiten von den Gemeindearbeitern nicht zu seiner Zufriedenheit ausgeführt worden waren, lautete sein Urteil: „Dät süt uss wie en Mäckesesbotze, enn Flecke am annern“.
Bereits am 1. April 1939 wurde Ewald Hatzig Mitglied des Turnvereins „Einigkeit“ Netphen (TVE). Ursprünglich als Fußballtorwart aktiv, war er Ende 1949 einer der Initiatoren für die in der Gaststätte Wilhelm erfolgte Gründung der Handballabteilung des TVE. Zunächst im Angriff als Feldhandballstürmer aktiv, war er anschließend bis 1996 noch 42 Jahre lang als Handballschiedsrichter tätig. Im TVE-Vorstand war er 15 Jahre lang Kassenwart, bevor er bis 1975 elf Jahre lang das Amt des 1. Vorsitzenden (Präsidenten) inne hatte und anschließend zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Der Westfälische Turnerbund und der Handballverband Westfalen honorierten seine ehrenamtliche Arbeit jeweils mit ihren goldenen Ehrennadeln und vom Westdeutschen Handballverband erhielt er den Ehrenbrief.
Ein weiteres wichtiges ehrenamtliches Standbein war für den gläubigen Katholiken Ewald Hatzig (seit 1959 KAB-Mitglied) von 1964 bis 2000 die Arbeit im Kirchenvorstand der Kirchengemeinde „St. Martin“ in Netphen - davon die letzten drei Jahre als stellvertretender Vorsitzender - und im Pfarrgemeinderat. Hierbei kümmerte er sich in fast 500 Sitzungen und vor Ort u.a. um den Pfarrhausneubau, die Kirchenrenovierung mit dem Anbau einer Sakristei, den Bau des Pfarr- und Jugendheims, des Kindergartens und die Verwaltung des katholischen Friedhofs in Netphen. Auch die Pfarrfeste wurden von ihm mit organisiert. 1983 gehörte Ewald Hatzig zu den Gründungsmitgliedern des Vereins zur Erhaltung des St.-Petersplatzes in Netphen. Am 15. Mai 2001 überreichte ihm Dechant Werner Wegener im Rahmen einer Feierstunde das mit der Auszeichnung „Pro Ecclesia et Pontefice“ verbundene päpstliche Ehrenkreuz für seinen - so Hatzig damals in seinen Dankesworten - „Dienst zur Ehre Gottes“.
Sein heimatgeschichtliches Interesse veranlasste Ewald Hatzig, sich auch für den Heimatverein Netpherland einzusetzen. Von 1998 bis 2011 gehörte das langjährige Mitglied als Beisitzer dessen Vorstand an. Auch bei den Treffen der Familienkundlichen Arbeitsgemeinschaft des Siegerländer Heimat-und Geschichtsvereins (SHGV) war er ein gerngesehener Gast. Zu zahlreichen heimatgeschichtlichen Themen hielt er auch hier Vorträge und veröffentlichte die Ergebnisse seiner Recherchen in vielen Aufsätzen, die er für die Zeitschrift „Blick ins Netpherland“ schrieb. Für den SHGV schrieb er eine Broschüre über die Auswanderung Johannländer Familien ins Banat im 18. Jahrhundert. Im Laufe der Zeit erstellte Ewald Hatzig auch einen „Hatzig/Wuddel-Stammbaum“, der 170 Vorfahren von ihm und seiner Ehefrau benannte. Auch in seinen heimatkundlichen Arbeiten setzte sein aktiv gelebter Glaube viele Akzente. Hatte er sich bereits intensiv mit den Kirchenbüchern beschäftigt und 2005 im Rahmen seiner Geschichts- und Ahnenforschung für seine Kirchengemeinde das Buch „Priester und Ordensleute aus dem Kirchspiel Netphen“ geschrieben, so veröffentlichte er noch im Alter von 90 Jahren gemeinsam mit Heinz Sprenger in der Zeitschrift „Siegerland“ des SHGV den Aufsatz „Zwei Jesuitenpater aus dem Hause 'Wabbelersch'“. Und bis zuletzt setzte er sich engagiert für eine noch immer nicht erfolgte öffentliche Würdigung des 1835 in Grissenbach geborenen katholischen Politikers und Sozialreformers Gerhard Stötzel in seinem Geburtsort im oberen Siegtal ein. Stötzel hatte als erster Arbeiter überhaupt 23 Jahre lang bis zu seinem Tod 1905 dem Reichstag in Berlin angehört und war ein wichtiger, heute aber zu Unrecht fast in Vergessenheit geratener Wegbereiter der Sozialgesetzgebung im Kaiserreich. Und als eine Art persönliches Vermächtnis gegen Hass und Gewalt darf das Video des Interviews mit dem Zeitzeugen Ewald Hatzig angesehen werden, das erst vor wenigen Wochen für die derzeit im Heimatmuseum Netpherland laufende Ausstellung zum Gedenkjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ aufgenommen wurde und in dem er über die gemeinsame Schulzeit in der katholischen Volksschule in Niedernetphen mit der von den Nazis ermordeten Jüdin Anita Faber spricht.
Wilfried Lerchstein