Evangelische Kapelle Grissenbach entwidmet
Es war der letzte Arbeitseinsatz für Günter Stein in seinem besonderen Ehrenamt. Am Samstag um 16 Uhr stand er im Vorraum der evangelischen Kapelle in Grissenbach und läutete die Glocke zum letzten Gottesdienst. Die Glocke der über 230 Jahre alten Kapelle wird noch per Hand geläutet. Eine Besonderheit, die viel Kraft erfordert. Stein wohnt direkt neben der Kapelle und hat die Glocke 40 Jahre lang bedient – zu Gottesdiensten, Beerdigungen, Hochzeiten. Bevor er in Rente ging, habe er dafür manchmal extra Urlaub genommen, erzählt er. Am Samstag hat er es sich nicht nehmen lassen, auch den Entwidmungsgottesdienst mit Glockengeläut zu beginnen und zu beenden.
Es war eine Entwidmung im kleinsten Kreis: Neben Pfarrer Tim Winkel, Pfarrerin in Ruhestand Helma Land und Organistin Heide Flache ließ das Corona-Schutzkonzept in der kleinen Kapelle nur eine Handvoll Gäste zu. „Aber wir treffen uns in dem Wissen, dass viele Menschen hinter denen stehen, die hier stellvertretend sitzen“, sagte Winkel. Neben Vertretern der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Dreieinigkeit und des Kirchenkreises waren auch Repräsentanten von Ortsvereinen aus Grissenbach eingeladen. Für alle anderen Gemeindeglieder wurde der Gottesdienst als Podcast aufgenommen und auf dem YouTube-Kanal der Gemeinde hochgeladen.
Als Schulkapelle wurde das kleine Fachwerkgebäude im Jahr 1790 errichtet. Generationen von evangelischen Kindern aus Grissenbach und Nenkersdorf wurden dort bis Anfang des 20. Jahrhunderts im monatlichen Wechsel mit Nenkersdorf unterrichtet. Nach der Errichtung eines neuen Schulgebäudes wurde die Kapelle ab 1907 für gottesdienstliche Zwecke genutzt. Pfarrer Tim Winkel berichtete im Entwidmungsgottesdienst, dass zu Beginn seiner Dienstzeit noch an jedem fünften Sonntag um 8.45 Uhr Gottesdienst in Grissenbach gefeiert wurde. „Im Winter bin ich durch die Dämmerung hierher gefahren“, erinnerte sich Winkel. „Und nach dem Gottesdienst saßen wir oft bei Schnittchen und Kaffee zusammen.“ Auch für die Sonntagsschule, die Frauenhilfe und den Mittwochstreff wurde die Kapelle genutzt. Der letzte reguläre Gottesdienst fand 2017 statt. Damals hatte die Kirchengemeinde Deuz, die zum Jahresbeginn in der Kirchengemeinde Dreieinigkeit aufgegangen ist, beschlossen, sich auf ihre zwei größten Predigtstätten in Deuz und Rudersdorf zu konzentrieren. Die Entwidmung wurde nun nötig, weil die Gemeinde einen Interessenten gefunden hat, der das Gebäude kaufen und das Grundstück in Erbpacht übernehmen will. Ihr äußeres Erscheinungsbild soll die Kapelle behalten.
Dennoch sei der endgültige Abschied mit Schmerz verbunden, sagte Winkel in seiner Predigt. Kirchen und Kapellen seien Orte, die der Gemeinde ein Dach über dem Kopf gäben und Menschen etwa bei Taufen und Trauungen auf ihrem Lebensweg begleiteten. Gott wohne aber nicht in Gebäuden, sondern überall in der Welt, betonte der Pastor. Bei aller Diskussion um Gebäude und Personal dürfe man nie vergessen, worauf es eigentlich ankomme: „Gott wohnt, wo wir Kirche der Tat sind“, sagte Winkel. „Da, wo wir gemeinsam geistlich unterwegs sind, ereignet sich Kirche ohne Mauern und ohne Dach.“ Besondere Dankesworte richtete Winkel an die ehrenamtliche Grissenbacher Küsterin Helga Moczala, an Albert Schmick, der sich ehrenamtlich um Reparaturen am Gebäude gekümmert hatte, und an Walter Klöckner vom Posaunenchor Beienbach, Grissenbach und Nenkersdorf. Der Posaunenchor war es auch, der der Kapelle ein letztes Ständchen brachte: Nachdem Altarkerzen, Taufschale und Bibel aus dem Gebäude getragen wurden, beendeten die Bläser den Gottesdienst mit einem kurzen Konzert unter freiem Himmel.
Quelle: Pressemitteilung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen