Lesung aus den Märchen der Dichterin Katharina Diez in der Buchhandlung Weinaug
„In einem großen dunklen Wald“- umrahmt von Gitarrenmusik und Gesang Jürgen Narbutts
„Bunt sind schon die Wälder....“ sang Jürgen Narbutt die Lesung einleitend das bekannte Volkslied passend zur Jahreszeit. Seine Gitarre zum Lied versetzte die Zuhörerschaft in der voll besetzten Buchhandlung Weinaug stimmungsvoll in das Zeitalter der Romantik, denn dieser entstammten ebenfalls die beiden Geschichten der in Netphen geborenen Katharina Diez, deren Geburtshaus nur wenige Meter von der Buchhandlung entfernt in alter Pracht des Baustils der Jahrhundertwende 18./19.Jh. noch heute zu bewundern ist.
„Romantik pur“ präsentierte Dr. Ingeborg Längsfeld, Kulturforumsvorsitzende und Herausgeberin des vom Vorländer Verlag neu edierten Märchenbandes der ersten Siegerländer Dichterin, die zusammen mit ihrer ebenfalls dichtenden Schwester Elisabeth Grube im 19.Jh. an die 38 Werke publizierte. Und die nicht für die Schublade, sondern als bestens in Deutschland und auch weit über dessen Grenzen hinaus bekannte Werke, wie sich der Bibliografie entnehmen lässt.
Alljährlich erinnert das Kulturforum Netphen durch Lesung oder Theaterspiel an die heute im Siegerland weitgehend vergessenen Dichterinnen. An diesem Abend bezauberte das im neu edierten Werkband „ In einem großen dunklen Wald“ von Kathrin Klotzki-Progri anmutig illustrierte Märchen „Der Tod des kleinen Goldfischkönigs“ seine Zuhörerschaft. Sie zeigte sich fasziniert von der lebendigen Sprache und der psychologisch feinfühlig geschilderten Intrige unter den Bewohnern des Berliner Tiergartens, welche die Grenzen zwischen der Welt der Erwachsenen, der Kinder und Tierlein verschwimmen ließ, so wie es die erklärte Absicht der romantischen Dichter war. Auch erfuhren die Zuhörer des 21. Jh. in Netphen eine Menge über historische Details, die nicht in Geschichtsbüchern zu finden sind, die aber durchaus heute noch relevant sind: Die Goldfische als unliebsame Fremdlinge im eigenen Reich, die aufgrund ihrer Schönheit und Andersartigkeit zu einem Objekt des Hasses degradiert werden können: „Außerdem, wozu nützen sie? Weder braten noch kochen kann man sie..“.
Nicht nur durch dieses Märchen, sondern auch durch die folgende Jugenderzählung „Der kleine Steinklopfer“, welche die Netpher anlässlich ihrer 750-Jahrfeier 2014 auch schon als Theaterstück genießen konnten, wurde dem Publikum wieder einmal vor Augen geführt, dass Katharinas Geschichten märchenhafte Idylle und tiefere Sinnhaftigkeit künstlerisch höchst anspruchsvoll miteinander verschmelzen: Der kleine Steinklopfer, der als Kind durch das Klopfen der Steine zunächst vor allem die Anerkennung seiner Familie gewinnen möchte, reift auf seinem Weg durch viele Versuchungen zu einem selbstbewussten Knaben, der mündig eigene Entscheidungen zu treffen vermag.
Jürgen Narbutts Lieder erinnerten an die historische Dimension der Landarbeit im Spannungsfeld der angehenden Industrialisierung, die der Kinderarbeit einen umgekehrten Aspekt verlieh.
Anschauliche Dichtung, Gesang und historische Einbettung, köstlich Kulinarisches in der Pause, vermochten drei Stunden Darbietungen dem Publikum wie im Flug vergehen zu lassen. Ein gelungener Abend, den viele sich wiederholt wünschten!
Text: Dr. Ingeborg Längsfeld