Seiteninhalt
29.11.2018

"Duo Concertante": Nancy Dahn und Timothy Steeves beim Kulturforum Netphen 

Führendes kanadisches Duo erfüllte höchste Ansprüche an Virtuosität und Gefühlstiefe

Nancy Dahns Violinen- und Timothy Steeves Pianospiel eroberten mit der Darbietung der Sonate E-Dur von J.S. Bach schnell die Herzen ihrer Zuhörer im Gymnasium Netphen: Sie gehört zu den ersten klassischen Duosonaten des Geigenrepertoires, in denen sich das Tasteninstrument aus der Rolle der akkordischen Begleitung im Basso continuo löst und der Violine als gleichberechtigter Partner gegenübertritt.

Duo Concertante
Duo Concertante

Der Führungswechsel beider Instrumente gestaltete sich in fließenden Übergängen, wie im dritten Satz: Die traumverlorene lyrische Stimmung wurde vom Piano angeschlagen und durch Achtelakkorde begleitet, die Violine trat mit einer unvergesslich sehnsüchtigen, mehrfach variierten Triolenmelodie hinzu, gab sie an das Piano ab und übernahm dessen Achtelakkorde. Ein Zwiegesang mit durch Worte nicht beschreibbarer Innigkeit entwickelte sich in immer neuen dialogischen Varianten und entfesselte in allen Poren des Körpers die Dynamik menschlicher Beziehungen mit ihrem nahezu unerschöpflichen Reichtum an emotionalen Höhepunkten.

Die beiden kanadischen Künstler, die in ihrer Heimat als Professoren an der Memorial Universität St. Johns Kanada lehren, Meisterkurse in Kanada, China und den USA geben und ein von ihnen gegründetes Festival für Talentenachwuchsförderung leiten, bewiesen Perfektion in der Ausführung der Bachschen Virtuosität und Polyphonie ebenso wie in der Wiedergabe der ganz andersartigen Stimmung der Sonate für Violine und Klavier von Maurice Ravel, seines letzten Kammermusikwerkes.

War es bei Bach die harmonische Partnerschaft beider eigenständigen Instrumente, so steigerte Ravel den Anspruch der Eigenständigkeit, indem er beide Instrumente für wesentlich unvereinbar hielt: Die drei Sätze begannen mit kühler Distanz, denen eine Blues mit von der Violine nachgeahmten Banjo-und Saxophonklängen als Ausdruck der Jazzbegeisterung Ravels folgte und in einem mitreißend rhythmischen Finale endete.

Die zweite Konzerthälfte füllte eine brillante, unter die Haut gehende Darbietung von Beethovens „Kreutzersonate“, die Beethoven aufgrund ihrer Ausdehnung und Virtuosität dem französischen Violinvirtuosen Rodolphe Kreutzer gewidmet hatte. Der Dialog beider Instrumente nahm in den drei Sätzen völlig gegensätzlichen Charakter an: Feierlichkeit verströmte der äußerst ruhige Beginn, gefolgt vom stürmischen Moll-Hauptthema, das mit wild-bewegten Tremoli und Akkordbrechungen ein Flammeninferno entfachte, in dessen gleissender Helligkeit das zutiefst melancholische, einem unwiederbringlichen Verlust nachtrauernde, lyrische Seitenthema als Oase der inneren Ruhe sanft ertönte.

Nancy Dahn und Timothy Steeves bewegten als Meister ihres Faches ihr Publikum zutiefst. Dies wird ihnen auch weiterhin in den Städten ihrer langen Tournee durch Deutschland, Kanada und China gelingen.